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Stellen Sie sich vor, ein Bergführer soll Sie auf einen Gipfel bringen, auf dem Sie nie zuvor waren. Natürlich gehen Sie davon aus, dass er den Weg kennt und um die möglichen Gefahren weiss. Also vertrauen Sie sich ihm an und folgen ihm. Eine Zeit lang geht das gut. Doch dann zieht plötzlich ein Schneesturm auf, der Weg verliert sich, das Gelände wird unübersichtlich. Der Bergführer bleibt stehen und blickt ratlos um sich. Er weiss auch nicht mehr weiter, trotz all seiner Erfahrung. Dennoch werden Sie erwarten, dass er nicht tatenlos herumsteht, sondern Sie weiter sicher führt. Aber wie soll er das tun, wenn er selbst die Orientierung verloren hat?

Die Zukunft der Arbeit beschäftigt uns aus vielen Blickwinkeln: Digitalisierung, Globalisierung, Automatisierung. Dazu gesellen sich Schlagworte wie Agilität, Open Workspace oder VUCA (volatile, uncertain, complex, ambiguous). Alles das lässt sich weder ändern noch aufhalten: sich im Kopf flexibel halten, sich breit aufstellen, täglich dazulernen und sich den digitalen Wandel bewusst machen. Hinzu kommt: die Konkurrenz schläft nicht. Übernehmen wir also die Verantwortung für die eigene Entwicklung. Die Personalbedarfs- und Weiterbildungsplanung wird ganz neu aufgestellt. Unternehmen beruhen nicht mehr auf Regeln und formaler Authorität, sondern auf Dialog, Überzeugung und Vertrauen. Wer wirklich führen will, muss auch bereit sein, sich führen zu lassen. Die Zukunft der Führung besteht darin, dass sich Führungskräfte vor allem als Bergführer der jeweiligen Unternehmenskultur begreifen, also all jenen sichtbaren und unsichtbaren Überzeugungen und Werten, Gewohnheiten und Ritualen, die eine Firmengruppe letztlich ausmacht. Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen wir uns eine Welt ohne Arbeit vor, denn ohne Impulse von aussen keine Reflektion. Eine 15-Stunden-Woche genügt, so prophezeite John Maynard Keynes auf dem Weg in eine Welt der Freizeit und des Überflusses. Arbeitszufriedenheit sei in erster Linie ein emotionaler Zustand. Damit der Job eines Menschen wirklich =seiner= ist, muss er die Arbeitsprozesse mitgestalten, seine Arbeitszeit selbst einteilen können. Wir haben gelernt, dass Arbeit nicht nach Arbeit aussehen muss und wir denken mittlerweile in Unternehmens-Landschaften, sowie Corporate Coworking.

Dieser Mechanismus gilt auch im Kraftsport: zu viel Steigerung des gestemmten Gewichts auf einmal überfordert die Muskeln, der Trainingseffekt wird am besten durch kleine, aber stetige Erhöhung des Gewichtes erzielt. Nur wenn Arbeit fordernd ist, können wir uns durch sie auch selbst verwirklichen. Denn was meint Selbstverwirklichung anders als die Chance, das zu tun, was man gerne tut und tun kann, und sich auf diese Weise immer weiter zu =entfalten=? Nicht jede Arbeit, die uns fordert, ist ein Traumjob. Für dieses Prinzip stehen auch die weltweit veranstalteten FuckUp Nights, bei denen sich Unternehmer für ihre Bauchlandungen feiern lassen. Warum auch nicht? Egal was wir geleistet, egal wie wir versagt haben, sind wir nicht alle potenziell erfolgreich? Der Kampf um die besten Jobs verkehrt sich in einen Kampf um die besten Leute. Die Idee des freien Internets dreht sich in sein Gegenteil, indem die Nutzer das Produkt wurden. Gute Arbeit im Sinne einer Praxis existiert für uns erst, wenn wir sie selbst zu unser eigenen gemacht haben. Der Unterschied zwischen Helden und Halunken ist in bewegten Zeiten wie diesen nicht leicht auszumachen: es gibt genug Geld, aber nicht Arbeit für alle. Leute, die ihre Arbeit verlieren, haben Entzugserscheinungen wie Drogensüchtige. Sie fallen in ein Loch und sind von der verfügbaren Zeit überfordert. Muss man deswegen Heroin für alle fordern? Da hilft nur eine Entziehungskur, auch der Entzug von der Vorstellung, erst durch Lohnarbeit werde unser Leben sinnvoll. Arbeit ist etwas für Sklaven, also Unfreie. Was wäre, wenn sie die Wahl hätten, für Geld zu arbeiten oder etwas anderes zu tun? Wie würde sich die Erwerbssphäre ändern, wenn sich Arbeitgeber Mühe geben müssten, höflich zu ihren Leuten zu sein? Das hohe Einkommen ist andernfalls die Entschädigung für ein sinnloses Leben. Man darf sich dabei vom eigenen Erfolg nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass der Beginn eines Unternehmens sein Scheitern mit einschliessen kann. Aber die Menschen wollen nicht nur arbeiten, um kaufen zu können. Die Industriegesellschaft begann mit einer 70-Stunden-Woche. Dazu kamen oft stundenlange Wegezeiten in die Fabrik. Warum das ignoriert wird? Weil Arbeit eine Religion geworden ist. Automation und Fortschritt, Wissensarbeit und Kapitalismus vernichten Arbeitsplätze. Und das ist auch gut so. Es geht nämlich auch anders für das unausbleibliche Ende der Vollbeschäftigungs-Gesellschaft.

Bei den alten Germanen wurde das Wort für Knecht und Arbeit schliesslich eins: orbu. Das englische Wort Labour hat seinen Ursprung im lateinischen labor: Mühe. Das Ziel jeder Produktivitätssteigerung ist es, mehr Ergebnis mit weniger Aufwand zu erzeugen, von den Physikern auch Arbeit genannt. Automation ist damit die Folge intensiven Nachdenkens. Die logische Folge: je mehr Kopfarbeiter schuften, desto weniger bleibt für die Handarbeiter übrig. Man kann das durch simple Beobachtung von Wald Disneys Lustigen Taschenbüchern leicht nachvollziehen: wenn es um die Familie Duck aus Entenhausen geht, als ein grandioses Sittenbild unser wirren Gesellschaft. Die drei klügsten Köpfe in dieser Geschichte sind die Neffen des trostlosen Systemerhalters Donald Duck. Sie heissen Tick, Trick und Track. In fast jedem Abenteuer, das sie bestehen müssen, finden sie die richtige Lösung. Die drei Jungenten sind gewiss nicht faul. Aber sie kennen den Unterschied zwischen Arbeit und Tätigkeit, zwischen sturer Routine und kreativem Problemlösen. Sie sind eine Entscheidungs-Elite und sie können das auch sehr klar ausdrücken. Ihr Motto lautet: Wer Arbeit kennt und sich nicht drückt, ist verrückt. Die Automation ist Segen, nicht Fluch. Wenn Arbeit aber vor allem geistige Tätigkeit ist, also Wissensarbeit - wie sollte Umverteilung dann funktionieren? Durch Gehirntransplantation? Eigentlich könnte es eine Chance sein, Nachbarn zu helfen oder mit anderen eine Sprache zu lernen. Das bisherige System basiert auf Misstrauen. Mit Vertrauen liefe es besser. Und dieses Grundeinkommen finanzieren alle zusammen, also anders als heute auch Selbstständige, Freiberufler, Beamte oder die Bezieher von Kapitaleinkommen. Ein anderes Land mit einer so verlässlichen Garantie von Rechtssicherheit, Grund- und Eigentumsrechten findet nicht so einfach. Jeder arbeitet, so lange er will und führt seine 25 Prozent Flat-Tax vom Verdienst ab. So schützen wir uns vor den kleinen und grossen Korruptionen, die mit beruflicher Macht verbunden sind. Ökonomen, Politiker und Sozialwissenschaftler plädieren seit Jahrzehnten dafür, die vorhersehbaren Folgen der ausklingenden Arbeitsgesellschaft durch ein Grundeinkommen für alle Bürger abzufedern. Bezahlt wird hier und jetzt. Damit brechen die wesentlichsten Argumente gegen die Globalisierung zusammen. Schon früh schrieb dazu Paul Lafarge, der Schwiegersohn von Karl Marx, ein kleines, kluges Buch über =Das Recht auf Faulheit= . Darauf basieren unter anderm unsere Organisation der Arbeit und das Ausbildungssystem. Mit Vernetzung der Industrie4.0 kommen wir nun aber in eine Situation, in der intelligente Algorithmen und Maschinen alles übernehmen können, was nach einfachen, sich wiederholenden Mustern organisiert ist. Das heisst, wir müssen in vielen Jobs mit künstlicher Intelligenz und Robotern konkurrieren - und diesen Wettbewerb können wir nicht gewinnen. Zudem sorgen die Computer für starke Skaleneffekte: wenn sie mit einem Algorithmus tausend Nutzer versorgen können, können sie mit geringem Mehraufwand oft eine Million Nutzer versorgen. Und sie brauchen dafür nicht unbedingt mehr Leute. Das führt dazu, dass die Unternehmen in Zukunft nicht mehr so viele Jobs anbieten können, wie sie es bisher getan haben. Folglich werden viele Menschen gezwungen sein, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Das bedeutet zunächst, dass sie sich überlegen müssen, wie sie in Zukunft für die Gesellschaft von Nutzen sein können. Sinnvollerweise werden sie sich dabei auf das konzentrieren, was Menschen besser können als Maschinen: kreative Prozesse, soziale Interaktion, Pflege der Umwelt. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang die Wissensproduktion. In Zukunft werden die Bürger viel stärker an ihr beteiligt sein. Deshalb brauchen wir Open Innovation und Citizen Science, also Bürgerwissenschaft, bei der alle mitmachen können.

Bedingungsloses Grundeinkommen, Negativsteuer, solidarisches Bürgergeld, Technikdividende, garantierte Grundrente, Grenzleid der Arbeit, Grundsicherung, Wohlfahrtsmaximierung, Wertschöpfungssteuer - unter verschiedenen Bezeichnungen macht ein Thema quer durchs politische Spektrum Karriere, bis hinauf zum höchsten Amt im Staate. Die Befreiung vom Joch der Maloche prangt auf dem Banner des Grundeinkommens, als wär´s ein Stück aus den siebziger Jahren. Jeder arbeitet, weil er will, nicht weil er muss. Die Frage, was Menschen tun würden, wenn sie nichts tun müssten, empfinden viele als Zumutung. Es drängt die Bürger dazu, sich zu positionieren. Mehr Geld, mehr Verantwortung und Partizipation, mehr Sinn, weniger Druck. Wir trauern nicht dem Hammer, der Fabrik, der schweren Arbeit nach. Wir trauern um das gesellschaftliche Modell der Industriearbeit, um die alte Ordnung. Es gibt kaum noch Bauern, aber die Automation der Landwirtschaft hat beispielsweise dafür gesorgt, dass sie zehnmal so viele Nahrungsmittel produzieren wie zu Beginn der industriellen Revolution. Und jetzt zur Industrie: vor 50 Jahren haben wir alles produziert, die Chinesen nichts. Heute ist das anders und ein Drama in unserem Kopf. Was wir brauchen, neben einer Grundsicherung, sind variable Löhne. Es würde ein Arbeitsmarkt entstehen, bei dem Anbieter und Nachfrager sich halbwegs gleich gegenüberstehen: das Ende der Arbeitsplatz-Angst. Arbeitslosigkeit ist kein Albtraum mehr, sondern eine Option. Den Satz: es ist ein Scheiss-Job, aber was soll ich machen, ich brauche das Geld, gäbe es nur noch in historischen Filmen. Es klingt wie das Selbstgespräch von vielen Menschen, für die das Beste an einem Arbeitstag der Feierabend ist. Und der entscheidende Grund für einen Job seine Alternativlosigkeit. Allein zu wissen, dass es theoretisch möglich wäre, eine Auszeit zu nehmen, wäre schon eine grosse Erleichterung. Die Folge wäre, dass am Arbeitsmarkt der Kern aller Freiheit, nämlich die Freiheit, Nein zu sagen, zur Geltung gebracht wird. Alles ist besser als die Behauptung, der Ist-Zustand sei ohne Alternative. Wir brauchen eine Neu- und Umbewertung von Arbeit, die nicht nur den Beruf, sondern auch Arbeit an sich, in der Familie und Partnerschaft, im kulturellen, politischen und sozialen Bereich anerkennt. Ein Grundeinkommen mit mehr Freiräumen für solidarische und selbst organisierte Projekte. Unsere Gesellschaft insgesamt würde angstfreier und entstresster. Die Zeit und die Finanzlage sprechen für das bedingungslose Grundeinkommen und einer damit verbundenen Investitionsprämie. Die könnten die Empfänger nicht für sich ausgeben, sondern müssten sie an andere verteilen. Sie sollten sie in die besten Ideen und Technologien investieren oder in Projekte im sozialen oder Umweltbereich, in der Medizin, der Bildung oder auch in Nachbarschaftsprojekte: Bäume pflanzen, Strassen ausbessern, Schulen renovieren.

Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre? So entstand ein Denkraum zum Verbreiten neuer Gedanken, zum Kultivieren bekannter Sehnsüchte und zur Verbindung neuer Arbeits- und Lebenstätigkeiten. Es ist unsinnig, Kapital mit Geld gleichzusetzen. Kapital kommt von caput, lateinisch für das Haupt. Denken ist die neue Hauptsache, also sollte Denken, nicht Geld das Kapital des Menschen sein. Der Ursprungsgedanke wirft dabei die Zinsen ab. Die Mitarbeitenden hätten eine Verhandlungsbasis. Sie würden nicht für den Unternehmer, sondern mit ihm arbeiten. Es würde deutlich machen, warum wir eigentlich arbeiten. Dann gibt es geistig behinderte Menschen, die brauchen unsere Unterstützung. Und in Zukunft werden wir immer mehr Menschen haben, die sozial behindert sind, die mit ihrem Leben nichts anfangen können - und die brauchen auch unsere Solidarität. Denn deren Probleme lösen wir sicher nicht, wenn wir sie unter Menschen-unwürdigen Druck setzen. Und wir vergessen zumeist, dass reproduktive Arbeit, also das Erziehen und Entwickeln von Menschen, die Voraussetzung für produktive Arbeit ist - nur leider gilt sie bei uns als unproduktiv. Deshalb wird zum Beispiel, wenn der Gewinn schrumpft, erst mal die Ausbildung zusammengestrichen. Das ist wie das Sägen am Ast, auf dem man sitzt. Es ist in erster Linie eine Frage des Menschen- und Weltbildes. Wenn ich dem bösen Nachbarn, der so ganz anders lebt als wir selbst und der in unseren Augen ein Schmarotzer ist, das Grundeinkommen nicht gönnen, dann werden wir es sicher nicht einführen können. Aber solche Veränderungen verbreiten sich nach Art eines Schwelbrandes. Man riecht immer mal was, aber man sieht nichts. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, da steht die ganze Ordnung in Flammen. Beim Grundeinkommen geht es eben nicht um eine wirtschaftswissenschaftliche Veranstaltung, sondern um einen Kulturimpuls. Und in der Kultur ist möglich, was wir wollen - nicht nur, was sich rechnet. Das heisst: wir rechnen in netto, jammern aber in brutto. Die Idee des garantierten Mindesteinkommens wird exemplarisch von Leuten verfochten, die nicht gerade Sozialisten waren, wie Friedrich August von Hayek, Richard Nixon, Ralf Dahrendorf und Milton Friedman. Neu ist der Gedanke einer breit angelegten Eigentümergesellschaft nicht - sie gehörte zu den Grundlagen der von Ludwig Erhard in die politische Praxis umgesetzten sozialen Marktwirtschaft. Jede Leistung, jedes Produkt besteht demnach aus dreierlei: aus der Idee zum Beispiel, ein Gefäss für Wasser zu entwickeln. Aus natürlichen Ressourcen - im Fall des Glases wären das Quarz und Energie. Und dann brauchen wir noch einen, der das herstellt. Der investiert seine Zeit und seine Fähigkeit, und damit er das kann, braucht er ein Einkommen. Das ist das Einzige, was das Glas jetzt kostet - alles andere ist gratis. Andernfalls schaffen wir eine Welt mit schillernder Technik und einer schäbigen Gesellschaft, die durch eine Wirtschaft gestützt wird, die Ungleichheit statt Möglichkeiten fördert. Es kann nicht sein, dass eine kleine, vermögende Gruppe die Produktionsmittel von morgen - sprich Roboter - in der Hand hat und damit die Arbeit und die Löhne von vielen Millionen Menschen kontrolliert. Sonst bewegen wir uns auf einen Feudalismus des 21. Jahrhunderts zu. Ökonomen sprechen in diesem Zusammnenhang von Effizienzlohn: der Arbeitgeber zahlt freiwillig mehr, damit der Betrieb besser läuft und die Mitarbeiter nicht zur Konkurrenz wechseln. Kreativität, die Fähigkeit, unabhängig und selbstständig zu handeln und Entscheidungen zu treffen, sowie soziale Kompetenz werden wichtiger. Also all das, was Maschinen nicht können. Im Idealfall erleichtert die Technik uns solche Aufgaben, indem sie uns von Routinetätigkeiten entlastet. Der mit Grundeinkommen ausgestattete Mensch kann frei überlegen, was gut für ihn ist, jenseits aller Sozialromantik und Solidaritäts-Träumerei. Der Tag könnte einen neuen Rhythmus aus Tätigkeit, Kontemplation und Nichtstun finden; andere Ausbildungen kämen in Betracht, nicht allein fokussiert auf bestmögliche Karrierechancen. Wer würde noch stinkenden Müll wegräumen, dreckige Klos schrubben, im Schlachthof Gedärme aus Schweineleibern zerren wollen? Der Arbeitsmarkt wäre dann ein Markt im eigentlichen Sinne - weil die Menschen frei wären, ein Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Nicht zuletzt haben deshalb Tätigkeiten Konjunktur, deren Sinn in sich selbst liegt: ein Ehrenamt, bürgerschaftliches oder familiäres Engagement, den Schulabschluss nachholen, ein Studium oder einen Umschulung. Das Grundeinkommen würde den Kapitalismus verändern. Es führt dazu, dass mehr dauerhafte, fair bezahlte Jobs entstehen. Dass die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch grösser wird. Ebenso zu gleichen Bildungschancen, unabhängig vom sozialen Status des Elternhauses. Dafür werden wir in Zukunft natürlich eine bessere Ausbildung im digitalen Bereich brauchen, aber auch allgemeine Fähigkeiten fördern müssen, die man benötigt, um in unser komplexen, globalen, digitalen Welt zurechtzukommen. Also: wie und wo finde ich die nötigen Informationen? Wie bewerte ich sie, wie schütze ich mich vor Fake News? Wie gehe ich mit sozialen Plattformen um, mit Cybermobbing oder Hate Speech? Wie nutze ich digitale Ressourcen? Wie erreiche ich, dass ich die Geräte kontrolliere und nicht die Geräte mich? Dafür sind grundlegende Fähigkeiten nötig, wie etwa Konzentration und kritisches Denken, damit man sich nicht von jeder Information und jedem digitalen Stups von seinen Zielen ablenken lässt.

Digitalisierung verführt zur Modularisierung: man zerlegt den Produktionsprozess in kleinste Einzelschritte, die dezentral, irgendwo in der Welt, ausgeführt werden. Damit werden unsere Anforderungen an die Koordination anspruchsvoller, das sind keine sich selbst regulierenden Systeme. Dazu ein einleuchtendes Beispiel, wie Technik allen Ängsten zum Trotz Mitarbeitenden, Kunden und dem Unternehmen gleichmassen nützt. Mit der Einführung von Scannerkassen befürchteten Angestellte, sie würden überflüssig, weil nun jeder an der Kasse arbeiten konnte. Es war nicht mehr notwendig, die Preise der Produkte auswendig zu lernen. Aber die Folge war schlicht mehr Zeit für die Kunden durch die Entlastung von unsinnigen Aufgaben. Voraussetzung dafür, dass Innovation keine Verlierer produziert, ist allerdings stets eine faire Unternehmenskultur. Diesen Reichtum sollten wir in Freiheit übersetzen - Freiheit vom Zwang, sich die Lebenszeit von unsinnigen, ungeliebten, stumpfsinnigen Arbeiten rauben zu lassen, um die eigene Existenz zu sichern. In reichen Gesellschaften wird ohnehin das Bedürfnis nach einem erfüllten Leben stärker wachsen als die Gier nach noch mehr materiellen Gütern. Diese Entkopplung der Arbeit vom Einkommen und vom Zwang zum Lebensunterhalt ist eine kopernikanische Wende für Europa. Lohn der Arbeit ist nicht mehr Geld zum Lebensunterhalt, sondern etwas, das sehr kostbar ist: Sinn. Je höher qualifiziert und je weniger entfremdet die eigene Arbeit ist, desto mehr verschwimmen ebenfalls die Grenzen zwischen Arbeit und Nichtarbeit. Diese Theorie der disruptiven Technologien geht zurück auf Clayton Christensen. Gemeint sind damit Innovationen, die nicht Verbesserungen vorhandener Techniken bringen, sondern qualitativ andere Technologien sind: die DVD statt Videokassette, der Flachbildschirm statt TV-Röhrenfernseher. Wirtschaftlich bedeutet Disruption, dass dadurch neue Produktionsverfahren, sowie neue Märkte entstehen und dass Unternehmen ständig in einer Existenzbedrohung leben. Der entscheidende Treiber für Disruption ist die Digitalisierung. Welche Sprengkraft in disruptiven Technologien steckt, zeigt der metallische 3D-Druck, der in Kombination mit der Digitalisierung die traditionelle Metallverarbeitung bedroht. Kein Manager sollte sich etwas vomachen: der Produktlebenszyklus einer Glühbirne lag bei 36 Jahren, bei der LED-Lampe sind es 36 Monaten. 

Nach klassischer Definition des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1961 ist Arbeit jene Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Dabei kann Arbeit sowohl körperlicher als auch geistiger Natur sein. Die klassische und klare Rollenverteilung - tagsüber Arbeitnehmer, abends und am Wochenende Privatperson - gerät ins Wanken. Doch trägt diese Begriffsbestimmung heute noch? Demgegenüber kann man Daten so oft nutzen, wie man will, ohne dass sie dadurch an Wert verlieren. Im Gegenteil, es ist genau andersherum: wenn wir Informationen teilen, werden sie wertvoller für uns. Doch um diesen Wert zu erschliessen, müssen wir die digitale Welt anders organisieren als die materielle Welt. Neue Jobs in der digitalen Ökonomie haben naturgemäss fast alle mit Daten zu tun, aber die heute öffentlich verfügbaren Datenmengen sind winzig. Damit lässt sich wenig Mehrwert erzeugen. Selbst in der Wissenschaft ist der Zugang zu Daten immer noch mühsam. Doch mit der DSGVO gilt das Recht auf Datenportabilität. Das heisst, alle Bürger haben das Recht, persönliche Daten, die Unternehmen über sie gesammelt haben, einzufordern und zu nutzen. Diese Daten können sie zum Beispiel auf eine Plattform ihrer Wahl laden, um so mit anderen eine Datenbasis zu schaffen, auf die alle Zugriff haben. Sie könnten auch weitere Informationen bereitstellen, etwa Daten aus dem Internet der Dinge (IoT). Mit der Zeit könnten wir so einen kollektiven Datenschatz erzeugen, gewissermassen durch Crowdsourcing. Die Alternative wäre, die Cyber-Giganten zu zwingen, die Metadaten, die sie über uns gesammelt haben, für jeden zu erschliessen. Nach Schätzungen wird pro Person und Tag ein Gigabyte aus Bewegungsprofilen gesammelt - also einer Milliarde Ziffern. In unserem heutigen Wirtschaftssystem entscheiden einige wenige Investoren über die Entwicklungen der Zukunft. Diese Menschen haben wenig Zeit, viele gute Ideen gehen verloren, und revolutionäre Businessmodelle, die alte Investitionen gefährden, werden behindert. So entwickelt sich mit der Zeit eine wirtschaftliche Monokultur, in der dringende Probleme ungelöst bleiben. Es bräuchte einen neuen Gesellschaftsvertrag und öffentlichen Druck dazu. Und schliesslich bräuchten wir eine Software zum Management unser persönlichen Daten. Wir bekämen die über uns gesammelten Daten automatisch in unsere Datenmailbox gesendet und könnten dort festlegen, wer welche Daten unter welchen Bedingungen wofür und wie lange verwenden darf. Ein digitaler Assistent hilft dabei, sie nach Präferenzen zu verwalten: Zugriffe wären transpent, Verstösse gegen unsere Vorgaben würden geahndet. So entstünde eine digitale Vertrauensgesellschaft: wer unser Vertrauen verdient hat, bekäme Zugang zu mehr Daten. Bei der wachsenden Datenflut wird man in Zukunft das meiste Geld mit Data Analytics verdienen, das heisst mit Algorithmen, die Daten geschickt in Produkte und Services verwandeln. Eine Möglichekit wäre, Daten zu besteuern. Die gelten heute als geldwerter Vorteil, auf dem das gesamte digitale Zeitalter basiert - sind aber steuerfrei. Mit diesen Einnahmen könnte der Staat seine Informations-Infrastruktur für eine moderne digitale Gesellschaft erschaffen. Insbesondere könnte er öffentliche Plattformen aufbauen, auf denen demokratische und ökoonomische Partizipation stattfindet. Es wäre eine digitale Version der Volksversammlung im antiken Griechenland. Diese Diversität erzeugt jene Resilienz, die unsere Gesellschaft krisenfest macht. Das wäre mit vielem vereinbar, was uns in Europa wichtig ist, mit Selbstbestimmung, Kreativität, Demokratie und Wettbewerb. Und vor allem es würde Spass machen. Die Gestaltung eines solchen neuen Umfeldes beginnt zudem bei der Unternehmensplanung; weg von Kennzahlen, hin zur Orientierung, zum Story-Telling. Die innere Einstellung zum Unternehmen wurde somit neu justiert.

 

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