EDI bietet neue Kommunikationsmöglichkeiten
“EDIFACT” mausert sich mehr und mehr zum wichtigsten Standard im Elektronischen Datenaustausch (Electronic Data Interchange - EDI). Wer künftig nicht buchstäblich den Anschluss zum Geschäftspartner verlieren will (Beispiel Just in time), sollte sein Unternehmen auf das neue Kommunikationsgefüge schnelllstens vorbereiten.
Bei EDI nähern sich zwei Welten: die der Informatik und die der Geschäftsprozesse unterschiedlicher Unternehmen. Betrachtet man zuerst einmal die Welt der Informatik, kann man feststellen, dass im Zuge europäischer Standardisierungen, bspw. durch die International Organisation for Standardisation (ISO) oder die CCITT-Normen sich Möglichkeiten ergeben haben, heterogene Computer-Systeme zu verbinden. Bei Geschäftsprozessen können wir komplementäre (Beschaffung-Vertrieb) oder aufeinander folgende Geschäftsprozesse (Versand-Transport-Wareneingang) unterscheiden, bei denen ein großer Anteil gleichgearteter,
jedoch nicht gleichstrukturierter Informationen zwischen Unternehmen ausgetauscht werden.
Auch hier wurden u.a. durch die ARGE Neue Medien - wie der Namen schon andeutet - auf europäischer Ebene gültige Standards geschaffen, diese Informationen semantisch und syntaktisch in einheitlicher Weise austauschbar zu machen. Der dabei relavante Standard EDIFACT (EDI for Administration, Commerce and Tarnsport) dokumentiert sich mittlerweile in mehr als 50 Nachrichten, von denen allerdings z.Z. nur eine kleinerer Teil als UN_Norm festgeschrieben ist (oberstes Gremium für EDIFACT-Belange ist die Europäische Wirtschaftskommission der UNO). Ein grosser Anteil dieser Nachrichten befindet sich in den verschiedenen Branchen als EDI-Definitions-Dialekt, auch Subset genannt.
Die einzelnen Nachrichten bilden dabei die Basis für den Geschäftsdatenaustausch, in dem die Daten feldweise spezifiziert werden. So befinden sich Nachrichten aus beispielsweise dem Handel, Transport, den Banken, Versicherungen oder dem Zoll als EDI-Standard. Blickt man in die Historie zurück, so haben sich bis heute zahlreiche Branchenstandards (z.B. Sedas im Handel und VDA in der KFZ-Industrie) etabliert. Sie sind meist auf Initiativen marktbeherrschender Unternehmen zurückzuführen, die ihren Geschäftspartnern im Wettbewerbsdruck keine Wahlmöglichkeiten ließen.
Da diese Standards zum einen meist nationale Standards, zum anderen auch branchenspezifische Vereinbarungen sind, ist die Möglichkeit des globalen Datenaustausches nur über zahlreiche Schnittstellen und Konvertierungen möglich. Die dahinter liegende N:M-Problematik (eine Vielzahl Teilnehmer kommuniziert mit einer Vielzahl Teilnehmern mit jeweils bilateralen Absprachen) wurde bereits erkannt und hat u.a. zum “Ober-Standards”, wie myOpenFactory geführt. Der Durchdringungsgrad in Europa ist daher nicht mehr aufzuhalten. Untersuchungen über den aktuellen Status des Einsatzes von EDI in Deutschland etwa, zeigen dass die kritische Masse kommunizierender Unternehmen längst überschritten ist, in manchen Branchen sogar “zum guten Ton” gehört.
Wieso sollte man sich gerade heute für EDI entscheiden? Hierfür sprechen drei Gründe: (a) reduzierte Kosten, (b) Schnelligkeit und (c) Wettbewerbsvorteile.
Die Kostenersparnis ist vordergründig der erste und am schnellsten erreichbare Nutzen einer Investition im EDI. Denn Daten braucht man nur noch einmal zu erfassen, und Fehler lassen sich vermeiden oder wenigstens reduzieren. Dazu einige Beispiele: 70% der von Computern erstellten Dokumente werden zur Weiterverarbeitung wieder in einem Computer erfasst; 25% der Gesamtkosten einer Transaktion verursacht das Erfassen der Daten und 2% des Bruttosozialproduktes der EU gehen durch wiederholte Datenerfassung verloren.
Kosten lassen sich ebenfalls in nicht administrativen Bereichen sparen. Genauere und häufiger ausgetauschte Informationen ermöglichen exaktere Planungen (z.B. genauere Materialsbedarfsplanungen). Hier sind Ansätze der Just-in-Zime-Produktion (JIT) durch häufigen Informationsaustausch zwischen den Herstellern und den Zulieferern zu realisieren. Die Kostenreduktion resultiert einerseits aus einer genaueren Steuerung der Produktion, andererseits auch aus gesenkten Lagerbeständen, da z.B. für Lieferanten Spitzenbedarfe vorhersehbar sind und die Produzenten ihre Läger nach vorne zum Lieferanten verlagern können. Eine SHK-Handelsgruppe gibt beispielsweise an, auf diese Art den Lagerbestand um 75% reduziert zu haben.
Schnelligkeit wird für viele Unternehmen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Kurze Reaktionszeiten auf Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden, flexible Fertigungs- und Dienstleistungsbereitschaft und schnelle Befriedigung der Kundenwünsche sind zu erreichende Ziele.
Wurden bisher insbesondere die Fertigung mit “High-tech” rationalisiert, beschleunigt man heute insbesondere über die Auslagerung von Baugruppen die gesamte Produktion und damit im Vorfeld schon die Entwicklungsprozesse etwa bei Westaflex (Simultaneous Engineering). Vor und nach der Produktion sind aber immer noch immense Verbesserungen hinsichtlich der Reaktionszeiten erreichbar. Einige SHK-Unternehmen, die bereits im Tagesrhythmus fertigen und ausliefern können, verlagern jetzt sogar in Teilbereichen die Auftragsannahme und -erfassung zum Kunden (Planung- und Auslegungssoftware bei den Grosshändlern). Nach der Auswahl geeigneter Produkte ist es ein kleiner schritt, per EDI die vollständigen Bestelldaten zum Hersteller zu übermitteln, als Antwort innerhalb kurzer Zeit die aktuelle Preiskalkulation und Verfügbarkeit (d.h. den Liefertermin) zurückzuspielen, um dann den Auftrag in einem dritten schritt freizugeben. Die Zeitersparnis, die sich gegenüber herkömmlichen Procedere ergibt, ist signifikant.
Führt man eine “Process Flow Analysis” bei Unternehmen durch und ermittelt Puffer- und Ruhezeiten in der gesamten Prozesskette zwischen Kunde und Unternehmen unter Einbeziehung der Produktion und des SHK-Handels, stellt man vielfach fest, dass grosse Reserven in der unternehmensinternen und der unternehmensexternen Logistik aufgrund schleppender Informationsflüsse zu finden sind. Auf die unternehmensinterne Logistik soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da EDI sie nicht im oben definierten Sinne unterstützt.
Die unternehmensexterne Logistik ist ein komplexes Szenario mit vielen Teilnehmern z.B. Speditionen, Verlader, Reedereinen, Fluglinien, Zwischenhändlern oder Zollbehörden. In diesem Gebilde treten Ruhezeiten auf, die nur durch einen durchgängigen Informationsfluss zu optimieren sind. Besonders hier zeigt der Einsatz von EDI umfangreiche Erfolge. Bislang sind je nach Branche, jedoch nur Teilbereiche der Logistik-Kette (z.B. zwischen Spediteuren, innerhalb eines Hafens oder zwischen Speditionen und Fluglinien) in einem EDI-Verbund.Beim Zoll existiert das EDI-Verfahren Atl@s mit seinen integrierten Sanktionslistenprüfungen (ehemals Alfa, Kobra, Zadat).
Ein Beispiel, wie EDI die Logistik unterstützen kann, ist die JIT-Anlieferung von Teilen in der Automobilindustrie. Vom Zulieferer zu den Produktionsstätten des Herstellers kreisen heute bereits zyklisch LKWs eines Fremdspediteurs, der vom Zulieferer die Information erhält, welche Ware er wo abholen und wohin speditieren soll. Im Gegenzug bekommt der Hersteller ein Wareneingangsavis und kann entsprechend die unternehmensinterne Logistik vorausschauend für den schnellen Transport der Ware zum Montageband steuern.
Wettbewerbsvorteile ergeben sich aus den beiden zuvor genannten Punkten: Reduzierte Kosten ermöglichen niedrigere Preise, kürzere Reaktionszeiten verbessern den Service für den Kunden. Eine enge Verbindung der Geschäftspartner führt in der Regel zu mehr Umsatzstabilität, da andere Marktbegleiter weitgehend ausgeschlossen werden, andererseits bewirkt sie aber auch eine Qualitätssteigerung über optimierte Prozesse. Sicherlich sind derart eng gekoppelte Abläufe nicht in allen Bereichen und - so manchmal mein Eindruck - nicht in der SHK-Branche gewünscht, obwohl dort enorme Potentiale schlummern!
Die EDI-Fähigkeit eines Unternehmens, nach offenen Verfahren mit Geschäftspartnern zu kommunizieren, erleichtert und fördert die Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen (im Gegensatz zum Wettbewerber, der sich mit herkömmlichen Methoden schwerfälliger darstellt). Somit kann EDI - unter Marketing-Aspekten gesehen - heute noch einem Unternehmen zu einem innovativen Erscheinungsbild verhelfen, gewissermaßen als Zugabe zu den sonstigen Vorteilen.
Die Entscheidung für oder gegen EDI ist somit von strategischer Bedeutung. Sie zu treffen, ist Aufgabe der Unternehmensführung. Und sie muss hinter ihrer Entscheidung stehen, soll der EDI-Einsatz erfolgreich sein.
EDI als Vehikel zur Prozessintegration zwischen Unternehmen wirkt sich auf alle Abteilungen aus. Zuerst einmal sind alle Fachabteilungen betroffen, die via EDI mit Geschäftspartnern kommunizieren wollen. Aber auch für z.B. die Rechtsabteilung, die sich mit Vertragsabschlüssen in dieser neuen Materie beschäftigen muss, ist EDI ein Thema (EDI-Musterverträge). Interessanterweise gibt es (immer noch) eine Vielzahl von Unternehmen, die ohne Rahmenverträge Daten mit ihren Partnern über EDI austauschen…..
Die Integration aller Fachbereiche in ein einheitliches Konzept kann nur die Unternehmensführung erreichen. Ein schwerwiegender Fehler in der Praxis ist, EDI nicht unternehmensübergreifend zu planen und zu kontrollieren. Denn dann entstehen Insellösungen auf Abteilungsebene. Dies führt unmittelbar zu einer nachträglich nur sehr integrierbaren Systemumgebung, die eine zunehmend größere Verwaltung erzeugt. Zusätzlich muss die Unternehmensführung bereit sein, EDI als langfristige Investition zu tragen, da meist ein positiver “Return On Investment” vor Ablauf von drei Jahren nur so zu erreichen ist.
Hier sind drei Bereiche getrennt zu betrachten: die Anwendung, die Partner und die Technik (bestehend aus Soft- und Hardware sowie einem Telekommunikationsnetz). Sofern nicht konkreter Bedarf einer Fachabteilung besteht, sollte jedes Unternehmen genau ermitteln, wo EDI den grössten Nutzen bringen kann. Das könnten die Kostenersparnis, die Zeitersparnis, aber auch strategische Gründe sein. Die Anwendung sollte allerdings auf jeden Fall bereits ausreichend IT-unterstützt und standardisiert sein, um die Kommunikation zwischen den Anwendungen sinnvoll zu ermöglichen.
Gleichfalls sollte sich innerhalb einer gesetzten Frist eine Rentabilität erzielen lassen, die allerdings nicht zwingend monetär darstellbar sein muss.
Die vielleicht zunächst konzipierte Pilotanwendung darf keinesfalls alleinstehend betrachtet werden und sollte auch nicht allein in Händen eines Providers liegen (EDI-Abhängigkeit). Die Planung sollte vielmehr von vornherein angrenzende Aufgaben berücksichtigen, um langfristig den gesamten Prozess über EDI abzuwickeln. Die Erfahrung zeigt, dass in 90% aller Fälle ein Unternehmen zunächst Bestellungen und erst später Lieferscheine und Rechnungen elektronisch überträgt.
Unabhängig von den sonstigen Auswahlkriterien für EDI-Partner ist es zweckmäßig, erfahrene Partner auszuwählen. Zum einen können so schneller Übereinkünfte über Rahmenbedingungen und Dateninhalte erzielt werden, zum anderen wird damit der Test- und Fehlerbehebungsaufwand beträchtlich vermindert. Zu Beginn einer EDI-Implementierung beschränkt man sich sinnvollerweise auf ein bis zwei Partner.
Für EDI braucht man ein Programm, mit dem man interne Dateien auf ein gemeinsames Format (z.B. EDITEC) umsetzen kann. Zum Umsetzen in solches Formate sind mittlerweile Konverter für eine Vielzahl von Betriebssystemen am Markt erhältlich. Von einer Eigenentwicklung ist aus Kostengründen abzuraten. In der Datenübertragung zeigt sich der Trend klar zum Standard X.400 (insbesondere seit der EDI-spezifischen Erweiterung X.435). Aber auch Herstellerprotokolle werden zukünftig nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.
Als Hardware empfiehlt sich die Mittlere Datentechnik oder Kommunikationsrechner (vorzugsweise nicht Windows, sondern Open Source), wie sie z.B. in einer Vielzahl von Linux-Netzwerken vorhanden sind. Unabhängig vom jeweiligen DV-Konzept sollte genau geplant werden, wieviele unterschiedliche Kommunikationsverbindungen gleichzeitig vertrieben werden sollen. Denn spätestens hier könnten Windows-PC Gateway-Lösungen nicht ausreichen. Für EDI werden zunehmend die Dienstleistungsangebote eine VANS (Value Added Network Service = Mehrwertdienste) in Anspruch genommen, statt jeden einzelnen Partner über Wählverbindungen anzusprechen. Dieser Dienst muss allerdings genau unter Kosten-/Nutzen-Aspekten für jedes einzelne Unternehmen geprüft werden. Trends in den USA zeigen, dass insbesondere Grossanwender die Anzahl der benutzten VANS reduzieren und mehr eigene Flatrate-Verbindungsmöglichkeiten benutzen.