Stammdatenaustausch zwischen ERP-Systemen und Produktkatalogen
Im Maschinen- und Anlagenbau verbringt der Einkauf rund zwei Drittel seiner Arbeit mit
operativen Tätigkeiten, wie das Abtippen eingehender Dokumente in das ERP-System,
der Vergleich zwischen Soll und Ist, das Überprüfen von Abweichungen und Klärungen mit
Lieferanten. Ungefähr 30 Prozent der Zeit entfallen im Einkauf auf Terminverfolgung und
lediglich fünf Prozent der Arbeitszeit verbleiben für den strategischen Einkauf. Viele andere
Aufgaben kommen dadurch zu kurz.
Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer effizienten Einkaufsabwicklung sind für viele
Unternehmen die Medienbrüche zwischen den Unternehmen: Die Daten sind zwar im
ERP-System des Kunden vorhanden, werden jedoch mittels Fax oder Mail übertragen und
müssen erneut in das ERP-System des Lieferanten eingegeben werden. Wer hier Zeit
sparen will, muss EDI einsetzen - wie es manche Unternehmen schon heute tun.
Die operativen Aufgaben lassen sich durch elektronische Kommunikation effizienter
bewältigen. Das Abtippen ist schließlich nicht die Kernkompetenz eines Einkäufers. Pro
Auftragsbestätigung kann man fünf bis zehn Minuten veranschlagen – Zeit, die für das
Unternehmen aber nicht wertschöpfend ist. Ähnliches gilt für die Eingabe von Stammdaten
und das Erstellen von Excel-Tabellen für den Angebotsvergleich.
In jedem Unternehmen ist das Ziel des Einkaufs, die gewünschten Teile rechtzeitig und
preisgünstig für die Produktion bereitzustellen. Die Auslastung des Einkaufs lässt es jedoch
nur bei A-Teilen zu, Verhandlungen zu führen und den Auftragsfortschritt kontinuierlich zu
kontrollieren. Bei B- und C-Teilen wird häufig mit kostenintensiven Sicherheitsbeständen
gearbeitet. Generell sind hohe Bestände daher ein Indiz für Zeitmangel im Einkauf. Arbeitet
der Einkauf effizienter, kann er die Erwartungen an ihn besser erfüllen. Durch EDI kann er
sich mehr auf die wertschöpfenden Tätigkeiten konzentrieren.
Aus diesem Grund wurde der Übertragungsstandard „myOpenFactory“ entwickelt, der
nach dem Pareto-Prinzip mit einer möglichst geringen Anzahl von Feldern eine möglichst
große Anzahl von Geschäftsvorgängen abdecken kann. Dazu wurde myOpenFactory von
sämtlichen redundanten Feldern befreit. Bei einer Kommunikation über myOpenFactory
werden die Daten des Absenders zunächst in den myOpenFactory-Standard übertragen.
Für den Empfänger werden die Daten aus dem myOpenFactory-Standard dann wieder
in das jeweils benötigte Datenformat übermittelt. Durch den Zwischenschritt über den
myOpenFactory-Standard erreichen wir die sofortige Kompatibilität aller an der Plattform
angeschlossenen Firmen, so dass neue Geschäftspartner ohne ein aufwendiges EDI-Projekt
angebunden werden können. Man muss sich nur einmal mit der myOpenFactory-Plattform
kompatibel machen und kann sofort alle darauf vertretenen Unternehmen mit einem
geringen Aufwand in Kommunikation mit dem eigenen ERP-System einbinden. Zudem
besteht die Möglichkeit, kleinen Unternehmen, die kein eigenes ERP-System einsetzen, was
gerade aufgrund der Zuliefererstruktur im Maschinen- und Anlagenbau stark zutrifft, ein so
genanntes Cockpit zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Web-Portal kann das Unternehmen
vollumfänglich an der elektronischen Kommunikation teilnehmen.
Das Ziel von „myOpenProductNavigator“ ist die Entwicklung einer DIN SPEC für den Produktdatenaustausch zwischen Online- (Kataloge, Konfiguratoren, Shops) und ERPSystemen. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, den elektronischen Datenaustausch über Online-Kataloge auch für Unternehmen zu erschließen, welche eher mittelstandsgeprägte ERP-Systeme im Einsatz haben. Zudem soll für mittelständische ERPHersteller der erweiterte Zugang zu Internettechnologien ermöglicht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein in Deutschland ca. 150 ERP-Systeme für produzierende Unternehmen im Einsatz sind. Dieser Tatsache wurde bereits im national geförderten BMBFVerbundprojekt „Open Factory“ Rechnung getragen, in dem in Form der DIN PAS 1074 ein Austauschformat für Stamm- und Bewegungsdaten der Auftragsabwicklung erarbeitet wurde.
Diese Spezifikation wird heute bereits in ca. 250 Unternehmen eingesetzt. Die weitere Verbreitung dieses Forschungsergebnisses würde augenscheinlich erheblich durch die Ergänzung eines Austauschformates für die Produktdaten beschleunigen. Im Detail trägt „myOpenProductNavigator“ maßgeblich dazu bei, den Medienbruch zwischen den elektronischen Katalogen und der internen Bestellabwicklung zu überwinden. Die starke Heterogenität des ERP-Marktes bietet gerade klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus erstaunliche Potentiale im Hinblick auf die stark zunehmende Variantenvielfalt, eine auf Ihre Anforderungen angepasste Unternehmenssoftware zu nutzen.
KMU nutzen zumeist aufgrund ihrer Unternehmensgröße nicht die großen ERP-Systeme sondern eher spezialisierte Branchenlösungen kleinerer ERP-Anbieter. Diese besitzen gerade für den klein- und mittelständischen Maschinenbau keinerlei Standardschnittstellen zu Onlinekatalogsystemen. Durch das Projektergebnis würde zum einen der Wettbewerb entzerrt, da kleinere ERP-Anbieter den entwickelten Standard in Form einer DIN SPEC nutzen könnten, um ihr Produktportfolio auszubauen. Des Weiteren haben die Kunden einen wesentlich besseren Zugang zu Produktdaten von Unternehmen. Das führt dazu, dass auch KMU wesentlich effizienter in ihrer elektronischen Auftragsabwicklung sein können.
Die angestrebte DIN SPEC schafft mehr Transparenz in den Beschaffungsprozessen, da zwischen der Suche, Auswahl und Konfiguration der Produkte sowie Lieferterminabfragen und der eigentlichen Bestellabwicklung keinerlei Informations- und Medienbrüche in der Wertschöpfungskette entstehen. Aufgrund fehlender Lösungen ergibt sich die Notwendigkeit zur Entwicklung eines einheitlichen Datenstandards für Katalogsysteme zum elektronischen Austausch von Produktdaten mit einer unbegrenzten Anzahl von Varianten in herstellerunabhängige ERPSysteme. Durch die standardisierte Übertragung der Produktinformationen werden Erfassungs- und Übertragungsfehler vermieden, wodurch erhebliche Kosteneinsparungen erzielt werden können. Durch einen einheitlichen Datenstandard ergeben sich einerseits für die Anbieter von ERP-Systemen als auch für die Anbieter von Online-Software ein erhebliches Innovationspotenzial: Die erleichterte Nutzung der Produktkataloge dürfte gerade im Maschinen- und Anlagenbau zu deutlichen Wachstumsraten und neuem Innovationspotenzial führen.