Corporate Electronification
Noch nie hat sich das gesamte Bürowesen mit seiner ständig wachsenden Fülle an Informations- und Kommunikationsbedürfnissen - für mich - in einem derart raschen Wandel befunden. Die Zahl der elektronischen “Helfer” alias Web2.0 Tools wächst beinahe täglich.
Immer mehr Bits und Bytes versprechen Erleichterung. Wettbewerbsvorteile und das Eindringen in bisher ungeahnte Dimensionen. Über all diese Elektronik wird allerdings im mittelständischen Unternehmen, wo Büroorganisation zumeist ein Beauftragter quasi nebenher miterledigt, die Basis vergessen, auf der das gesamte Bürogeschehen ruht: der Schreibtisch mit passender Sitzgelegenheit.
So findet man denn anstelle wirklich arbeitserleichternder Lösungen den Flachbildschirm, der sich mit einem Drehgestell an die Schreibtischkante klammert, seine Verkabelung in Durchgänge steckt, was zum Herausziehen (durch die Putzmannschaft) reizt, und seine Anschlüsse zu Stolperfalle bündelt; die Tastatur möglicherweise ebenfalls auf wackeliger Drahtunterlage (schwenkbar), deren Bedienung akrobatischer Fingerfertigkeit bedarf; den Drucker, der sein Papier von vorne über Kanten und Unterlagen hinweg frisst und es nach hinten ausspeit, wo es nur nach einer unfallträchtigen Kletterpartie zu entnehmen ist; mit Klebeband an Tischbeien und Bodenplatten fixierte Elektrizitäts- und Datenleitungen; den beschwerlichen Zugriff auf Unterlagen, Formulare und fehlende Ablageflächen für den Papierberg, der sich weiterhin täglich auftürmt.
Das Fatale der Situation zeigt sich darin, dass die Schwächen einer (stets durch den Fortschritt historisch) veralteten Bürobasis durch die moderne Elektronik in der Regel nicht kompensiert werden, sondern sich im Gegenteil immer mehr verstärken. Ein blendfreier und damit ermüdungsarmer Bildschirm, lässt sich nun einmal nicht ohne die notwendige Peripherie realisieren. Der richtige Lichteinfallswinkel vom Fenster her gehört ebenso wie die schnelle Verstellbarkeit aller beteiligten Komponenten bei sich auch innerhalb eines Tages verändernden Bedingungen. Konzepthalter, die meist integrierter Bestandteil eines modernen Bildschirmarbeitsplatzes sind, bieten mehr Arbeitskomfort und gesundheitsfördernde Zufriedenheit als irgendwelche Plastikgeräte, die mit Gummibändern an einer Konsole festgezurrt werden, geheftete Blätter nicht richtig trennen und durch Hilfsmittel wie Scheren, Lineale oder Klammern umständlich unterstützt werden müssen.
Wo quasi die dritte Ebene fehlt, sind notwendige Arbeitsplätze im direkten Zugriff rar. In der Folge stapeln sich Vorgänge und Unterlagen, was die Suchzeiten in kostenträchtige Höhen treibt. Zudem ist das Suchen nach aktuell benötigten Unterlagen keine ausschließlich freudvolle Tätigkeit. Ohne den Schreibtisch, ohne ergonomisch angepasste Sitzgelegenheit, ohne eine klassische Organisationsplanung bleibt auch heutzutage die Büroabwicklung (immer) noch Stückwerk. Erst aus der Kombination von Elektronik, Organisationskonzept und modernem Mobiliar wird der Stoff, aus dem das Büro der Zukunft gestaltet wird.
Dass der moderne Schreibtisch ebenso ein High-Tech-Produkt ist wie der auf ihm stehende Thin Client, wird spätestens dann klar, wenn man die in ihm steckenden Systeme betrachtet: horizontale und vertikale Kabelkanäle, Aufnahme von Kraft- und Datenleitungen, Verkettbarkeit, Integration von Bildschirmen, Tastaturauszügen, elektrische und federunterstütze Hub- und Kippmechanik, Stehpultfunktion, Besprechungstropfen, dritte Ebene, Rollmodule oder Container. Altes Mobiliar mit neuer Elektronik verursacht sofort und unweigerlich Schwierigkeiten! Denn nicht nur Computersoftware und Hardware müssen kompatibel sein, auch die Umgebung muss stimmten. Sonst verschenkt man einen Teil dessen, was man erreichen wollte.