Wer Montagmorgen den Rechner hochfährt und einen Blick in den Posteingang wirft, braucht sich für die nächst halbe Stunde nichts vorzunehmen. Wer ein E-Mail schreibt, fühlt nämlich erst mal unverbindlich vor - und schiebt die Dinge damit auf! Neben Spam-Mails tummeln sich Newsletter, in die man sicherheitshalber CC gesetzt wurde, sowie eine Flut an gut gemeinten Weiterleiterungen, die einen aber meist nicht betreffen, und allerlei krudes Zeug. Den Überblick über ihre berufliche Korrespondenz haben die meisten Menschen schon längst verloren. Ein Wahnsinn, der mit der Digitalisierung als Plage Überhand nahm. Denn die E-Mail verkompliziert vieles, das man am Telefon oder persönlich schnell besprochen hätte. Bis die Anrede, das Anliegen und die Schlussformel in die Tasten gehauen sind, hätte man sich vom Platz erheben und zum Kollegen gehen können und sich dabei obendrein bewegt - soll ja auch wichtig sein. Sitzt der Empfänger der Nachricht nicht auf dem gleichen Stockwerk oder gar in einer anderen Stadt, lassen sich absolut viele Antwortschleifen vermeiden, indem man zum Hörer greift und persönlich miteinander spricht!
Die E-Mail ist ein Symbol für Unverbindlichkeit und Aufschieberitis. Wer eine Mail schreibt muss nicht womöglich ein unangenehmens Anliegen persönlich vortragen. Soll er oder sie sich dann zurückmelden, wenn es passt. Bloss niemanden überrumpeln, bloss nicht die Dinge klären, die sich in der Regel rasch besprechen lassen. Dass das Gegenüber nicht vielleicht die siebenunddreissigste Mail zum gleichen Thema am Tag beantworten möchte, bedenken viele nicht. Und schreiben weiter Mails, die mit jedem AW:Re:AW: zunehmend passiv aggressiv werden. Wer liesst sich denn den ganzen Verlauf, geschweige denn den eigentlichen Ursprung jedesmal erneut durch... Doch selbst wer flink tippt und stets den richtigen Ton trifft, entkommt nicht der schieren Masse an E-Mails, die jeden Tag im Eingang landen. So sehr man sich auch müht, sie zeitnah zu beantworten, irgendwann sind sie doch mit einem roten Fähnchen markiert, das anzeigt: beantworte ich später. Aus Stunden werden Tage, aus Tagen manchmal nie. Um sich wenigstens ein bisschen besser zurorganisieren und das Lesen und Beantworten der Mails über den Tag zu verteilen, schauen viele auch nach Feierabend noch mal kurz ins Postfach. Und bleiben hängen. Und antworten. Und sind emotional über den Inhalt bewegt. Daraus entsteht ein Teufelskreis, in dem Berufliches und Privates komplett verschwimmen. Manchen Menschen macht das nichts aus - viele aber zerbrechen daran. Mit ihnen die Ehen, Partnerschaften und sozialen Kontakte.
Einige Firmen haben deshalb schon vor einiger Zeit richtige Zeichen gesetzt und Chat Plattformen eingeführt. Sie lösen die Mails ab und bekommen die schlimmsten Auswüchse damit gelöst. In Notfällen kann man immer noch zum Telefon greifen - aber eben nur dann. Die Kommunikation über ein kleines soziales Netzwerk, wie dem Chat oder auch Instant Messaging genannt, ist die Lösung für alle Missverständnisse digitaler Nachrichten. Hier sollten alle modernen Unternehmen ansetzen, die für sich reklamieren, ein zeitgemässiger Arbeitgeber zu sein. Wird Wissenswertes auf einem digitalen schwarzen Brett zentral abgespeichert, kann jeder die Informationen gezielt abrufen, wenn es nötig ist. Mit Messaging-Diensten wie RocketChat wird formloser (aber nicht unbedingt unfreundlicher) kommuiniziert als per Mail, ausserdem deutlich übersichtlicher. Zumindest in der internen Kommunikation ist die Mail längst obsolet.
Keine Frage, die E-Mail war einst eine geniale Erfindung. Sie hat Kommunikation schneller, einfacher und günstiger gemacht und ermöglicht uns, mit einer Nachricht viele andere Menschen zu kontaktieren. Aber genau diese Möglichkeit ist auch ihr grösster Nachteil, völlig unbeteiligte Menschen über riesige Verteiler mit Mails zu überhäufen, die zu lesen und zu löschen kostet wertvolle. Kein Mitarbeiter hatte früher an einem Tag 50 Briefe oder mehr im Postkasten. Es wird Zeit, uns einzugestehen, dass Mails ihren Zweck längst verfehlten. Und es wird Zeit zu fasten. Ein Anfang ist getan, wenn wir bei jeder angefangenen Nachricht fragt, ob es sie wirklich braucht. Idealerweise macht die Führungskraft mit und ruft eine freiwillige Selbstverpflichtung aus, maximal fünf Mails am Tag zu schreiben.